Christian Helbock

EGAMI, 2020

tillmans_web.jpg 

Aufbau Wolfgang Tillmans, Museum moderner Kunst Frankfurt, 29.4.2016


 

egami - eine Ausstellung

Verhandelt unterschiedlichste Kunsträume

Sie verortet sich zwischen den Rändern der Bildinstitutionen

Sie erschafft sich einen erweiterten offenen Kontext

Die Befragung des Ausstellungswesens ist die grosse Klammer

Das Untersuchungsfeld hat im Atelier als klassischem Ort der Produktion seinen Ausgang

Streift fortlaufend an Möbeln und Textilem als Gegenstände des Wohnens an

Fokussiert stets Aspekte musealer Präsentationsformen und Ordnungen

Der Begriff der Re-Lektüre gilt allgemein

Das Recherche-Instrument ist hauptsächlich die Fotografie

Auch Video Malerei Zeichnung und Collage

Eine der Herangehensweisen ist die Aneignung

Ein Erzählmotiv ist die Appropriation

Zusammenarbeit ist eine Schnittmenge

Künstlerische Haltung ihr Name

 

 

Mit Arbeiten von:

Eero Aarnio, Sigvard Bernadotte / Acton Björn, Olaf von Bohr, Anna Castelli Ferrieri,

Joe Colombo, Heinrich Dunst, Félix González-Torres, Sanja Ivekovic, Christian Jankowski,

Friedrich Kiesler, Gert Lange, Karl Lagerfeld, Rafa Prada, Susan Philipsz, Tobias Rehberger,

Susanna Rade, Jason Rhoades, Björn Roth / Dieter Roth, Gregor Schneider, Franz West

und Heimo Zobernig

 

 

4_660.jpg

Ausstellungssituation, Künstlerhaus Thurn & Taxis Bregenz, 16.1.2020

 

  

1_660.jpg 

Ausstellungssituation, Künstlerhaus Thurn & Taxis Bregenz, 16.1.2020

 

 

2_660.jpg

Ausstellungssituation, Künstlerhaus Thurn & Taxis Bregenz, 16.1.2020

 

 

3_660.jpg

Ausstellungssituation, Künstlerhaus Thurn & Taxis Bregenz, 16.1.2020

 


 

Kunst für alle Sinne und zum Überleben 

 

christian-helbock-hinterfragt-mechanisme_web.jpg

© Foto Ariane Grabher, 2020

 

Christian Helbock hinterfragt Mechanismen des Ausstellungswesens

 

Der Vorarlberger Künstler Christian Helbock, der Theater-, Film- und Medienwissenschaft

sowie Philosophie studiert hat und in den Bereichen Konzept, Malerei, Video und Performance

tätig ist, macht seine Ausstellungsbesuche in verschiedensten Institutionen zur erweiterten

Form des Kunstschaffens.

 

(...)


Wohnliche Interieurs

 

Die Bild- und Welterfahrung des Künstlers in unterschiedlichsten Kunst-Räumen

stehen im Fokus der rund 120 Arbeiten aus den letzten 15 Jahren umfassenden

Ausstellung "egami" von Christian Helbock. Die Befragung des Ausstellungswesens

und seiner Mechanismen, die bereits im Atelier als Ort der Kunstproduktion, ansetzt

sowie die Untersuchung musealer Präsentationsstrukturen erfolgt zumeist im Medium

Fotografie. Auch Video, Zeichnung, Malerei, Collage und Installation sind probate Mittel.

Dazu gesellen sich Textilien und Möbel aus der Sammlung des Künstlers, wie Kunststoffstühle

aus den 1970ern, ein Sessel von Franz West oder ein selbst gebauter Tisch, die innerhalb

der Schau fast wohnliche Interieurs schaffen. Am Beginn, den Blick auf die Blackbox

versperrend, die normalerweise eben für die Präsentation von Videoarbeiten genutzt wird,

steht eine Projektion. Sie zeigt einen Museumswärter im Hamburger Bahnhof in Berlin,

der in einer Installation von Susan Philipsz seine Runden dreht. Der Ton dazu entstammt

einer Komposition von Hanns Eisler, mit der sich Philipsz 2016 auch im Kunsthaus Bregenz

befasst hat und die nun die Ausstellung von Christian Helbock begleitet.

 

Helbocks Recherche gilt häufig nicht den Exponaten in den Ausstellungshäusern,

als vielmehr Abläufen, Nebensächlichkeiten, Details und scheinbar zufälligen Situationen.

Etwa wenn eine Fotoarbeit von Wolfgang Tillmans, einem Meister der Inszenierung,

just neben Hinweisschildern zu Notfall und Fluchtweg im genau gleichen Farbspektrum hängt.

Auch Appropriation, das "Entwenden" von Dingen, praktiziert Helbock, und so gilt es,

wie in einem Suchspiel, Arbeiten von renommierten Kollegen wie Félix González-Torres

oder Gregor Schneider in der Schau zu entdecken. Unter den drei Videoarbeiten

ist auch ein Interview mit dem österreichischen Künstler Heimo Zobernig, Nudelsuppe

essend und Apfelsaft trinkend, oder ein Gespräch mit dem deutschen Filmemacher

und Philosophen Alexander Kluge zur dialogischen Form des Interviews. Dazwischen hängt

ein Selbstporträt in einem Lagerfeld-Pulli mit einer afrikanischen Maske vor dem Gesicht,

das in seiner Verwischtheit an Gerhard Richter erinnert. Oder die verschiedenfarbigen

Kunststoffplanen, die als Hintergrund für die 2018 vom Land angekaufte Reihe von

Video-Interviews gedient haben. Immer wieder wartet die Schau mit Hinweise und Referenzen auf.

Dinge wiederholen und finden sich und Überführen am Ende die Arbeit "Identity is overrated"

(Identität wird überbewertet) vollends ins Ironische.

 

(Ariane Grabher, Vorarlberger Nachrichten, 18.1.2020)

 

 

 

egami - Zur Ausstellung von Christian Helbock im Palais Thurn und Taxis in Bregenz

 

Die Ausstellung von Christian Helbock im Palais Thurn und Taxis in Bregenz war leider nur sehr kurz

bis zum 1. März zu sehen. Doch wollte ich darüber berichten, weil ich denke, dass es sich zum

einen um eine wichtige Ausstellung handelt, und zum anderen mit und über die Ausstellung ein für mich

bedeutender Diskurs zu Kunsträumen, Formen des Zeigens und institutionellen Strukturen geführt wird.

 

Das Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis wurde im Jahre 1848 erbaut (es hiess ursprünglich Villa Gälich)

und ist seit 1953 Sitz der Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs.

Im Haus finden monatlich wechselnde Ausstellungen statt. Die Villa ist umgeben von der schönsten

Parkanlage der Stadt. Diese wurde nach der Erweiterung des Areals 1887 von Gustav Prinz von und

zu Thurn und Taxis angelegt. Der botanische Garten umfasst rund 6.700 m².

 

Christian Helbock widmet sich in der Ausstellung den verschiedenen Kunsträumen.

Seine Fotografien von Museen und anderen Kunstinstitutionen beziehen sich auf institutionelle

Ausstellungspraxen und Displays. Helbock hat ein grosses Gespür, Kunstwerke und ihre institutionelle

(Re-)Präsentation fotografisch so zu fassen, dass nicht nur die ausgestellten Werke, sondern auch

Begleitumstände des Zeigens in den Blick geraten. Im Prinzip handelt es sich um eine institutionelle

Recherche mit Mitteln der Fotografie. Die Fotografien sowie verschiedene Artefakte werden in

präziser Weise zueinander im Raum platziert.

 

Im Rahmen der Ausstellung begegnen wir auf diese Weise direkt und indirekt Arbeiten von Sigvard

Bernadotte / Acton Björn, Olaf von Bohr, Anna Castelli Ferrieri, Joe Colombo, Heinrich Dunst,

Félix González-Torres, Sanja Ivekovic, Christian Jankowski, Friedrich Kiesler, Gert Lange, Karl Lagerfeld,

Rafa Prada, Susan Philipsz, Susanna Rade, Tobias Rehberger, Jason Rhoades, Michael Riedel,

Björn Roth / Dieter Roth, Gregor Schneider, Franz West und Heimo Zobernig. Dazu sind Objekte zu sehen,

die Helbock zusammengetragen hat, darunter auch einige Möbelstücke aus seinem Besitz sowie

geometrische Arbeiten und Farbuntersuchungen. Eine wichtige Rolle spielen Videogespräche,

die er mit Künstlerinnen und Künstlern sowie Kuratorinnen und Kuratoren im Laufe verschiedener

Projekte über die Jahre geführt hat.

 

Interessant fand ich, dass die Ausstellung selbst zum künstlerischen Instrument wird.

Sie ist im Grunde genommen eine Versuchsanordnung, die museale Präsentationsformen und

Ordnungen mit subjektiven Formen der Aneignung und Einverleibung verbindet. Am 6.2. habe ich

zu Räumen des Ausstellens gesprochen in der Ausstellung. Wir haben einfach ein wenig umgebaut!

 

Und falls sich nun der/die eine oder andere fragt, was der Titel bedeuten soll: Egami heisst Image

(englisch für Bild, Abbild, Darstellung), rückwärts gelesen. Helbock befasst sich seitdem er künstlerisch

tätig ist mit Fragen des Bildes: was ist ein Bild (gerade noch), wie entsteht es, wie lässt es sich

Übersetzen, beziehungsweise, lässt es sich überhaupt übersetzen. Darüber hinaus interessiert sich

der Künstler für die Rückseite des Bildes, weil diese immer auch etwas von seinem Kontext verrät.

Sein Interesse erstreckt sich im übrigen auch auf die "Rückseiten" der Institution und deren

"unterbelichteten" Teilen.

 

(Barbara Steiner)


https://www.museum-joanneum.at/blog/egami-zur-ausstellung-von-christian-helbock-im-palais-thurn-und-taxis-in-bregenz/