BILLBOARD, 2009
BILLBOARD, 2009, Wettbewerbsentwurf für einen Bauzaun um den Neubau des Vorarlberger Landesmuseums
DER ZAUN ALS INTERFACE (1)
Die Grundidee des Projekts ist die Vermittlung. Ort der Vermittlung
sind 3 Plakatwände, die am Bauzaun befestigt sind, und das Internet.
Die Plakate wechseln alle drei Monate. Die Plakatwände, als Schnittstelle
zwischen Baustelle und öffentlichem Stadtraum, verstehen sich als virtuelle Fenster,
die innerbetriebliche Prozesse des Musealen, des Architektonischen abzubilden
vermögen. Museal (2) meint hier den gesamten Komplex, der sich auf die Institution
Museum bezieht (Selbstverständnis, Auftrag, Forschung, Ausstellungswesen,
Sammeln, Öffentlichkeitsarbeit, Vermittlung).
(1) Die Schnittstelle oder das Interface (englisch Grenzfläche) ist der Teil eines
Systems, der der Kommunikation dient. Wenn man einen Teil der Realität
als Ganzes betrachtet, das es zu analysieren und aufzugliedern gilt, so wird man
das Ganze, also das Gesamtsystem in kommunizierende Teilsysteme zerschneiden
jene Stellen der Teilsysteme, die als Berührungspunkte oder Ansatzpunkte fungieren,
über welche die Kommunikation stattfindet, stellen dann die Schnittstellen dar.
Unter Verwendung dieser Schnittstellen kann man die Teilsysteme wieder zu einem größeren
System zusammensetzen. http://de.wikipedia.org/wiki/Interface
(2) Der Begriff trifft sich mit der Definition wie ihn das International Council
of Museums einführt: Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit
zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung,
die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse
von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht
und ausstellt. http://de.wikipedia.org/wiki/Museum
BILLBOARD, 2009, Wettbewerbsentwurf (Detail)
Während der gesamten Umbauphase von 2 Jahren werden die beiden Bereiche
hinsichtlich ihrer Möglichkeiten (d.h. Sammlung, Raumangebote, Ausstellungsdisplays)
untersucht und diese exemplarisch thematisiert. Die Recherche wird neben
der Sammlung etwa Bibliothek, Archiv, Mitarbeiter des VLM, Stadtarchiv,
Landesbibliothek, Architekturbüro einbeziehen. Mittels Video-Interviews und
Recherche-Tätigkeit werden so Materialien gesammelt, auf deren Grundlage
die künstlerischen Gestaltung erfolgt.
Ausgrabungen und archäologische Funde werden mit Werken der zeitgenössischen
Kunst (Ankäufe des Landes) eine Fusion eingehen, Seeblicke nicht nur ein
architektonisches Thema werden mit Einblicken in Baugruben (Aspekte der jeweiligen
Bautätigkeit) kontrastieren. Das Internet bietet eine Plattform, die verschiedenen
Medien Bild, Foto, Video, Zeichnung, Skizze, Modell, Skulptur und Text in ihrer
Vielfalt auf einer Website zu versammeln. Der Zaun, als Ort der Unterscheidung
und des Übergangs, trennt zwei Seiten voneinander, als Zeitgrenze trennt er Altes
von Neuem und schafft eine Zäsur zwischen Spezialisten und der Allgemeinheit. (3)
Diese Leerstelle kenntlich zu machen mittels Bildkörper und Textmontagen zu extrapolieren
ist ein Aspekt des Projekts.
(3) Eine Museumsbesucherin. Dahinter ein Gegenstand der Geschichte:
Laokoon im Kampf um seine Söhne, seine Zukunft.
Der Zaun zieht eine Grenzlinie zwischen Innen und Aussen, definiert damit vorne
und hinten bzw. intern und extern. Es ist demnach folgerichtig den Bauzaun als Träger
(Hintergrund) einer Plakatserie zu nehmen, welche Hintergrund-Information
(eine nicht-externe Form des Wissens) blitzlichtartig exponiert und so aus dem
institutionellen Depot hervorholt. (4) Der Zaun ist ein potentieller Ort des Dialoges,
eines vielstimmigen, bilderreichen Diskurses zwischen diversen Bereichen:
dem Museum, der Architektur, der Bautätigkeit, der Politik (im Sinne einer Öffentlichkeit).
Eine öffentliche Baustelle (5) kann dadurch zu einer Baustelle von Öffentlichkeit werden,
einer Verkehrsfläche für einen grossen Teil der Bevölkerung.
(4) Ziel eines Museums ist es,Gegenstände, Musealien aus zumeist
vergangenen Zeiten zu einem bestimmten Thema fachgerecht und dauerhaft
aufzubewahren und den Besuchern zugänglich zu machen. Erst hierdurch
werden aus Deponaten Exponate. Dies geschieht in Dauer- und Wechselausstellungen;
Bestände, die man aus Platzmangel nicht ständig zeigen kann (Deponate), werden im
Depot verwahrt. http://de.wikipedia.org/wiki/Museum
(5) Potsdamer Platz, Berlin 2006: Eine öffentliche Bausstelle.
Hier wird gerade deutsche Geschichte umgebaut.
Der vorbeipromenierende Fussgänger als Zaungast eines sich nicht selbst
vermittelnden Prozesses. Die Ikonografie einer Plakatwand macht aufgrund
ihrer künstlerischen Ausdrucksformen (Montage, Fotogramm, etc.) unterschiedliche
Aspekte des Untersuchungsgegenstands sichtbar. Die Plakatwand ist eine bildhafte,
zeitgenössische Form der Wandzeitung. Eine Zeitung nicht nur im aktuellen, tagespolitischen
Sinn regionaler Nachrichten; sie trägt das Kleid einer historischen Revue, vernäht
zum vielschichtigen Gewebe, zur Pathosformel verdichtet: einem tableau publique.
Eine mediale Erweiterung erfährt das Projekt, wenn das Plakat in regelmässigen Abständen
etwa vierteljährig auf das Zeitungsformat übertragen und als Beilage in einer regionalen
Zeitung veröffentlicht wird. Auf der gesamten Länge des Bauzauns (230 m) sollen lediglich
3 Plakatwände von etwa 2 x 8 m angebracht werden. Die Plakatserien beanspruchen also
eine geringen Teil der Gesamtfläche, sind zudem selbst offen für eine Kooperation
mit anderen KünstlerInnen. Die unterschiedlichen Zonen Texte, Bilder, Fotos, Zeichnungen
bilden eine einheitliche Struktur, die einzelnen Partikel sind aber gleichzeitig autonom
und können als Information (6) für sich gelesen werden. Historisches, Gegenwärtiges
und Zukünftiges stehen gleichwertig nebeneinander (7), Museales und Architektonisches
ergänzt sich, Modell und Skulptur begegnen sich in neuen Dimensionen.
(6) (Systeme der) Information (In-Formation) bestehen in der Mitte zwischen Material
und Konzept, ohne eines der beiden ganz zu sein. (Dan Graham)
(7) Eine Museumsbesucherin. In Rosselinis Film Viaggio in Italia erblickt
Ingrid Bergman Geschichte. Es ist der Blick einer Suchenden. Ein Blick aus der Zukunft.
(Christian Helbock, August 2009)